Die Nominierung für die Shortlist des Man Booker International Prize 2016, Spekulationen über die Identität der Autorin und nun zwei Bände auf der SPIEGEL-Bestsellerliste – die Neapolitanische Saga von Elena Ferrante ist nicht nur hierzulande in aller Munde. Wir hatten die Gelegenheit dem italienischen Illustrator Emiliano Ponzi in einem E-Mail-Interview einige Fragen zu seiner Arbeit und zur Gestaltung der Cover von Elena Ferrantes Romanen zu stellen.
Haben Sie schon einmal ein Buch aufgrund seines Covers gekauft?
Das passiert mir sehr häufig. Das Cover vermittelt den ersten Eindruck vom Inhalt eines Buchs. Ich sage immer, das ist, als ob man eine Person zum ersten Mal trifft: Man macht sich ein erstes Bild aufgrund des Aussehens oder der Art, wie sie/er Deine Hand schüttelt – das kann sich dann natürlich beim näheren Kennenlernen ändern. Beim Betrachten eines Covers bekommen wir eine Idee von der möglichen Atmosphäre des Buchs: Ist es ein Krimi oder ein Liebesroman? Spielt die Geschichte in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft?
Hatten Sie die Neapolitanische Saga von Elena Ferrante schon gelesen, bevor Sie den Auftrag erhielten, die Cover für die deutschsprachige Ausgabe zu gestalten?
Aufgrund der großen medialen Aufmerksamkeit wusste ich bereits viel über die Handlung und den Erfolg der Bücher, aber ich hatte sie bis dahin noch nicht gelesen.
Die Geschichte von Lila und Elena beginnt in den 1950er-Jahren und endet in der Gegenwart. Spielten die jeweiligen Jahrzehnte eine Rolle für die Gestaltung der entsprechenden Cover? Welchem Konzept folgt die Farbgebung?
Wenn ich beginne, an einem neuen Cover zu arbeiten, muss ich zunächst für mich selbst herausfinden, welche Aussage das Bild auf dem Buchumschlag vermitteln soll. Das ist umso wichtiger, wenn es sich um eine mehrbändige Reihe und nicht um die Illustration eines einzelnen Titels handelt. Was auf dem Cover abgebildet wird, muss zum Inhalt des Romans passen, es muss die Stimmung des Buchs widerspiegeln. Das Ziel dieser kreativen Arbeit ist die Verführung: Die potenzielle Leserschaft soll dazu bewegt werden, das Buch in der Buchhandlung aus dem Regal zu nehmen und die erste Seite zu lesen.
Bei meinem Entwurf für die Ferrante-Cover verfolgte ich zwei Ansätze, die sich jeweils an der zeitlichen Konstruktion der Romane orientierten: Es sollten die zwei Freundinnen – immer in einer Rückenansicht – zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrem Leben dargestellt werden. Das Cover des ersten Bands sollte also zwei Mädchen zeigen, der zweite Band zwei Teenager, der dritte Teil zwei Frauen und der letzte Band zwei ältere Damen. Hinsichtlich der Farbgebung inspirierte mich Claude Monets Bilderserie der Kathedrale von Rouen, in welcher der Künstler die Fassade zu verschiedenen Tageszeiten und damit in verschiedenen farblichen Nuancen malte: Die Figuren auf dem Cover des ersten Bands stehen im Licht des Sonnenaufgangs, der zweite Band zeigt eine Frau in der Mittagszeit, beim Cover des dritten Bands setzt der Sonnenuntergang ein und auf dem Cover des letzten Bands ist die Abenddämmerung fast schon vorbei.
Obwohl die Unterschiede überwiegen, gibt es einige Gemeinsamkeiten zwischen Ihrer Gestaltung der deutschsprachigen Ausgaben und den Covern der italienischen Originale. Haben diese Ihre Arbeit beeinflusst? Wie beurteilen Sie das Design der Originalausgaben?
Die italienischen Cover haben gut funktioniert, würde ich sagen. Sie haben meine Covergestaltung jedoch insofern nicht beeinflusst, als ich etwas anderes machen wollte – die Cover sind ja auch für ein ganz anderes Land bestimmt. Ich glaube, dass die einzige Übereinstimmung zwischen den Covern in der Rückenansicht der Figuren besteht. Dazu habe ich mich entschieden, weil es meines Erachtens die richtige Darstellungsform für die Geschichte einer Freundschaft ist.
Haben Sie während der Arbeit auch über Alternativen nachgedacht, zum Beispiel über Stadtansichten von Neapel?
Das habe ich tatsächlich: Der Vesuv ist noch immer im Hintergrund jedes Covers zu sehen. Ich wollte eine Verbindung mit dem Handlungsort der Geschichte herstellen, ohne dabei die gängigen Neapel-Klischees zu bedienen.
Welche Technik benutzen Sie bei der Gestaltung von Buchcovern?
Ich benutze ein großes Tablet, das es mir erlaubt, so zu malen, als ob ich es auf Papier täte. Ich habe dafür einige digitale Zeichen- und Strukturtechniken entwickelt, um ein möglichst natürliches und warmes Ergebnis zu erzielen. Ich arbeite gern mit den vielfältigen Optionen, welche die Computertechnik mit sich bringt, aber ich möchte gleichzeitig vermeiden, dass das Endprodukt leblos und digital wirkt.
Wie lange hat es gedauert, die vier Buchumschläge zu gestalten?
Das war ein langer Prozess. Die Bedeutung dieser Arbeit brachte es mit sich, wohl bedacht über kleinste Details zu entscheiden und einen Konsens zu finden – von der Farbgebung bis hin zum Aussehen der Figuren. Der Austausch mit dem Verlag war dabei sehr produktiv. Ich glaube, wir alle sind mit den vier Illustrationen zufrieden.
Denken Sie an die Leserinnen und Leser eines Romans, wenn Sie Cover gestalten?
Nun ja, es lässt sich kaum ignorieren, dass ein Buchcover ein Ziel hat: von potenziellen Leserinnen und Lesern wahrgenommen und schließlich ausgesucht zu werden. Das Thema der Verführung ist, wie gesagt, ein wichtiger Teil des Gestaltungsprozesses, aber im Fall von Elena Ferrante waren die Romane bereits so bekannt, dass wir uns vorwiegend darauf konzentriert haben, Bilder mit Wiedererkennungswert zu schaffen.
Elena Ferrantes Romane werden manchmal als »Frauenromane« bezeichnet. Welche Rolle spielte das?
Ich glaube, dass Elena Ferrantes Romane Themen verhandeln, für die Frauen besonders empfänglich sind. Ich glaube aber auch, dass darin Aspekte behandelt werden, die jeder von uns, also auch ein Mann, fühlen und verstehen kann. Ich würde daher sagen, dass ein Cover für alle gleichermaßen gut oder schlecht sein kann.