täglich ein stück weiter ist eine kolumne mit theaterverlegerischen reisenotizen von frank kroll. es geht um momentaufnahmen aus dem theateralltag, um wegesrandbemerkungen über glanzlichter und merkwürdigkeiten eines ganz eigenen literaturmarktgeschehens.
die eisbaronin
eine taxifahrt zum »theater am arsch der welt«
ICH in die oswaldgasse bitte.
TAXLER oswaldgasse.
ICH oswaldgasse 35 a. das muss irgendwo in meidling sein.
TAXLER oswaldgasse ist bekannt. die eisbaronin!
ICH die eisbaronin?
TAXLER die eisbaronin hat ihre männer umgebracht und ist dann mit einem taxi geflüchtet.
ICH im taxi?
TAXLER ja, also da gabs alarm, weil die bauarbeiten geführt haben in keller. sie hat ein eisgeschäft gehabt. in der oswaldgasse. und die maurer haben im keller eine leiche entdeckt. teilweis betoniert, teilweis heraus knochen. dann ist untersucht hin und her. dann sinds draufkommen, dass die beiden freunde dort gewohnt haben und verschwunden sind.
ICH aha.
TAXLER dann ist sie in eine taxi eingestiegen. und da war alarm. jede schlagzeile war alarm.
ICH wie lang ist das her?
TAXLER die frau wird gesucht, beschreibung undsoweiter.
ICH verstehe. und das ging dann über funk in alle taxen?
TAXLER ja. na. ja. sie stieg in taxi ein, wollte nach klagenfurt.
ICH ja.
TAXLER der taxifahrer hat sie nach klagenfurt gebracht. dann hat sie gesagt, sie will weiter nach italien. dann hat er noch ein bissel was mehr verlangt. hat er die dame nach italien gefahren und ist wieder zurück. hat in den nachrichten gehört, die beschreibung, hats alles hingehaut. der ist jetzt zur polizei gegangen, der taxifahrer, hat der polizei alles gesagt. aber polizei hat nicht erwischt. sie hat dort in bahnhof eine musikmann kennengelernt, der was auf straße musik gspielt hat.
ICH in italien?
TAXLER ein italiener.
ICH aha.
TAXLER sie ist befreundet mit ihm. ist dann mit ihm – also er war alleinstehend – der italiener…
ICH ja.
TAXLER sie hat bei ihm geschlafen. zwei nächte. drei nächte.
ICH das ging ja schnell.
TAXLER ja, das ging schnell. und dann sagt er, i muss runter, der italiener, zum mistkübel. der italiener dreht internet auf und sieht drinnen eine fahndung. weil das wurde international verteilt, diese fahndung. und der italiener sieht, das stimmt alles. das ist die frau. und der italiener sagt zu die frau, ich trag nur mistkübel, also die mist runter. der hatte auch schon angst. aber er ist zu spät draufkommen. hat dann polizei alarmiert wie er mistkübel geleert und runtergegangen ist. dann haben sie die frau festgenommen dort. bei den italienern.
ICH und die hat …
TAXLER dann hat man die frau umgesiedelt nach wien. weil sie kommt ursprünglich aus barcelona, aus spanien.
ICH deshalb spanische witwe, oder wie?
TAXLER die hat dann dazwischen eine österreichische freund gehabt. von dem war sie schwanger.
ICH aha.
TAXLER sie hat den bub im, na, im gefängnis auf die welt gebracht. eine junge bube, also eine bub. und ganz gesund auch. zum schluss hat sie krebs bekommen. ich weiß nicht, seit ein paar monate hört man nix von ihr.
ICH achso, sie ist also ständig thema gewesen. in den zeitungen.
TAXLER ja. ständig. die eisbaronin.
ICH die eisbaronin.
TAXLER wenn sie internet anmachen finden sie sicher die eisbaronin.
(pause.)
ICH starke geschichte.
(lange pause. stumme fahrt.)
TAXLER so, wo müssen sie hin? in oswaldgasse hin?
ICH oswaldgasse 35 a.
TAXLER ungefähr weiß ich, wo oswaldgasse ist. schaun wir mal. (tippt ins navi.) fünfunddreißig. was gibts da?
ICH da wird ein theater neu eröffnet.
TAXLER aha. theater. (lange pause.) große männer hat sie immer gehabt. mindestens zwei meter. die eisbaronin. der zweite, wo auch da gewohnt hat, hat ihr geholfen beim ersten. aber der war dann selber dran. zerhackt.
(pause.)
ICH was für ein aufwand. ich meine, sie hätte sich ja auch einfach trennen können.
TAXLER naa. es muss was mit dem kopf gewesen sein. (pause.) sind sie verheiratet?
ICH ja.
TAXLER also passens schön auf. (lacht.) die frauen warn eher da wie der teufel …
in der oswaldgasse 35 a wurde an diesem abend dann noch das theater »werk x« eröffnet. mit einer premiere von ELDORADO von marius von mayenburg. eine sehenswerte produktion in einem luftigen theaterneubau. meidling ist ein südwestlicher wiener bezirk, etwa zehn kilometer vom stadtzentrum entfernt. das hat die pfiffigen theaterleiter dazu gebracht, allerorten plakate mit dem spruch »theater am arsch der welt« aufzuhängen. man kann dem haus nur wünschen, dass die leute trotzdem hingehen. die eisbaronin hat dann übrigens lebenslänglich bekommen.